“Egoismus zu zweit”: Einige Gedanken zur Venus-Mars Dynamik
“Marriage Story” (2019) erzählt die Geschichte eines Ehepaares, das sich scheiden lässt. Dieser Film sprach mich besonders an, als sich Venus und Mars wieder einmal freundlich einander annäherten und zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Artikels in ein exaktes Trigon (Qualität: positiv) zueinander traten. Beide Planeten befinden sich derzeit in den beiden Erdzeichen Stier (Mars) und Steinbock (Venus), den beiden konservativen Realisten des Tierkreises.
Statt der Romantik, bekommen in Mars-Venus Angelegenheiten momentan eher die Härte der Realität zu spüren. Das führt uns auch die “Marriage Story” vor. Der Einfluss der Ehe- und Scheidungsindustrie wird hier sichtbar. Realistisch heißt hier also der Realität entsprechend und diese kann auch trotz des positiven Trigons brutal sein, sodass die Venus-Mars Dynamik auch dementsprechend verstanden werden muss. Erich Fromm hilft mir dabei. Ich schlage seinen Klassiker “Die Kunst des Liebens” (1956) auf und lese gleich zu Beginn:
“Das Buch möchte (…) zeigen, dass die Liebe kein Gefühl ist, dem sich jeder ohne Rücksicht auf den Grad der eigenen Reife nur einfach hinzugeben braucht. Ich möchte den Leser davon überzeugen, dass alle seine Versuche zu lieben fehlschlagen müssen, sofern er nicht aktiv versucht, seine ganze Persönlichkeit zu entwickeln, und es ihm so gelingt, produktiv zu werden; ich möchte zeigen, dass es in der Liebe zu einem anderen Menschen überhaupt keine Erfüllung ohne die Liebe zum Nächsten, ohne wahre Demut, ohne Mut, Glaube und Disziplin geben kann.” (S. 7)
Venus braucht also Mars, damit wir aktiv an unserer Persönlichkeit arbeiten können, sofern wir das wollen, und Mars braucht die venusische Liebe zum Nächsten und Demut (Stier) und Disziplin (Steinbock) sind zwar keine attraktiven Zutaten für eine “Marriage Story”, aber dennoch notwendige. Die Liebe ist, so Erich Fromm, eine Kunst, aber nicht jeder von uns ist ein Künstler.
“Marriage Story” veranschaulicht das nur allzu gut. Es zeigt sich, dass das Paar seine Zeit in der Ehe letztlich in einsamer Zweisamkeit verbracht hat. Hier treffen zwei Persönlichkeiten aufeinander, deren Wut und Aggression daher rührt, dass zu wenig Rücksicht auf den anderen als Einzelperson genommen wurde und trotzdem fand eine Vereinsamung statt. Zu diesem sogenannten “egoisme à deux” (dt. “Egoismus zu zweit”) lassen wir Fromm nochmals festhalten:
“Bei dieser Auffassung von Liebe und Ehe kommt es in erster Linie darauf an, eine Zuflucht vor dem sonst unerträglichen Gefühl des Alleinseins zu finden. In der ‘Liebe’ hat man endlich einen Hafen gefunden, der einen vor der Einsamkeit schützt. Man schließt zu zweit einen Bund gegen die Welt und hält dann diesen égoisme à deux irrtümlich für Liebe und Vertrautheit.” (S. 119)
Die gute Nachricht ist: Wir können das Lieben wie ein Handwerk erlernen und wer diese Mühe auf sich nimmt, der wird leben, etwas erleben und von der Liebe auch (wieder) belebt werden - in guten wie auch in schlechteren Zeiten.
“Somebody hold me too close
Somebody hurt me too deep
Somebody sit in my chair and ruin my sleep
And make me aware of being alive
Being alive
Somebody need me too much
Somebody know me too well
Somebody pull me up short and put me through hell
And give me support for being alive.”
Quellen:
Erich Fromm (1956/2015). Die Kunst des Liebens. Manesse Verlag
Marriage Story. Netflix und online: https://de.wikipedia.org/wiki/Marriage_Story
Susan Vahabzadeh (20.11.2019). Anatomie einer Scheidung (Süddeutsche Zeitung). https://www.sueddeutsche.de/kultur/marriage-story-noah-baumbach-adam-driver-scarlett-johannson-1.4687867
Bild: Joanna Nix-Walkup (Unsplash)